Berner Museumsgeschichten

Operation am offenen Herzen: Aus eins mach zwei

Gesammeltes Kulturgut genau unter die Lupe zu nehmen, gehört zu den Kernaufgaben der Museen und fördert nicht selten Überraschungen zu Tage. Zum Beispiel in der Medizinsammlung. Diese umfasst rund 10'000 Objekte, wovon rund 6'000 Instrumente, Apparate und Geräte zu Sammlung des Inselspitals Bern gehören. Als das Institut für Medizingeschichte der Universität Bern vor einigen Jahren begann, die Objekte zu sichten und zu inventarisieren, musste es schnell gehen. Das hatte zur Folge, dass nicht alle Objekte detailliert erfasst werden konnten. Finden die Sammlungsmitarbeitenden nun die Zeit, wird wo immer möglich laufend sorgfältig nachrecherchiert. Und siehe da:

Schon länger war bekannt, dass sich eine sehr frühe Herz-Lungen-Maschine in der Sammlung befindet. Der sogenannten «Rygg-Kyvsgaard Bubble Oxygenator» stammt aus der Zeit um 1960. Benannt ist er nach seinen dänischen Entwicklern, dem Chirurgen Inge Rygg und dem Ingenieur Erik Kyvsgaard. 1955 entwarfen sie am Rigshospital in Kopenhagen, eine Herz-Lungen-Maschine. Sie setzten dabei auf das «Bubble»-Prinzip: Blasenoxygenatoren bringen den Sauerstoff direkt in Blasenform ins Blut ein, wobei die grosse Oberfläche der Blasen für einen effizienten Gasaustausch sorgt. Solche Herz-Lungen-Maschinen, die sich in den späten 1950er Jahren durchsetzten, sind ein Meilenstein für die Herzchirurgie: Sie ermöglichen erstmals, dass Chirurgen am offenen Herzen operieren.

Bei genauerer Betrachtung des Objektes fiel auf, dass sich ein (vermeintlicher) Bestandteil des Geräts nicht identifizieren lässt: ein Glaszylinder, auf vier Metallfüssen, darin eine Reihe von Metallscheiben. Es stellte sich heraus, dass es überhaupt kein Bestandteil des Rygg-Kyvsgaard-Oxygenators ist, sondern ein «Kay-Cross Rotating Disc Oxygenator».

Solche Scheibenoxygenatoren funktionieren folgendermassen: Blut wird durch einen Glaszylinder geleitet. Dort rotieren silikonummantelte Scheiben und tauchen in das Blut ein. Das Blut lagert sich an den Scheiben ab und es bildet sich ein Film mit grosser Oberfläche, der effizient den neuen Sauerstoff aufnehmen kann. Dieser Oxygenator ist jedoch nur ein Teil des Herz-Lungen-Maschinensystems. Er benötigt eine Pumpe, um das Blut aus- und wieder einzuleiten. Wahrscheinlich ist es eine Rollenpumpe nach DeBakey, die den Kay-Cross-Oxygenator im Inselspital antreibt.

Was die zufällige Entdeckung des Oxygenators so spektakulär macht: Es spricht viel dafür, dass die Insel-Chirurgen im Sommer 1960 die erste Operation am offenen Herzen mit dem Kay-Cross-Oxygenator durchführten.

Medizinsammlung Inselspital Bern