Berner Museumsgeschichten
Das «Tschöpli» im Althuus
Tradition und Trend, historisches Zeugnis und Bekenntnis – die Vielfalt der Trachten steht immer wieder im Fokus lebendiger Tradtionen. Ob am Bernisch-Kantonalen Jodlerfest geballt in Szene gesetzt und stolz getragen oder in manch einer Museumssammlung und -ausstellung präsentiert, lassen sich Trachten aus vielerlei Perspektive betrachten. Das «Tschöpli» im Bauernmuseum Althuus gehört hier mit dazu.
Ein von der diplomierten Trachtenschneiderin Karin Brunner sorgsam aufgetrenntes Exemplar lässt im dortigen Schaudepot tief blicken und zeigt, dass Textiles nicht erst heute mit dem internationalen Handel verbunden ist.
Der Rohstoff für die verarbeitete Seide kam einst bestenfalls aus dem Tessin. Dort, aber vor allem in Frankreich und Italien setzte in Europa die Seidenproduktion ein, nachdem deren Geheimnis ab dem 6. Jahrhundert von China aus in weitere Länder durchgesickert war. Die frühesten Damastwebereien entstanden in Deutschland und einzig die Spitzen, dürften von Anfang an fest in Schweizer Hand gewesen sein, man denke hier an die frühe und bis heute weltberühmte Spitzenindustrie St. Gallens.
Neben der Rohseide war es sicherlich das Fischbein, das die weiteste Reise zurücklegen musste. Aufwändig eingearbeitet, sorgt es für Form und Halt. Gewonnen wurde es an den Meereshäfen und stammt nicht etwa aus dem Skelett, sondern aus den Barten von Walfischen. Fischbeinreisser war von etwa 1500 bis Anfang 20. Jahrhundert ein eng mit der Modeindustrie verknüpfter Beruf. Nicht nur das Ende der einschnürenden Korsetts, Korsagen und Reifröcke markierten seinen Niedergang, sondern auch der Ersatz es Fischbeins durch Metall und Kunststoff.
Traditionen bleiben lebendig, wenn sie eine gute Balance zwischen Regeln und Wandel erlauben. Bei den Trachten ist dies nicht anders. Neuinterpretationen aber auch das Austesten von Materialien gehören hier dazu. Und: Mit der Aufzucht von Seidenraupen haben sich innovative Schweizer Bäuerinnen und Bauern auf ihren Höfen seit 2009 einen neuen Betriebszweig aufgebaut. Ihre Seide wird von traditionsreiche Unternehmen der Schweizer Textilindustrie zu hochwertigen Produkten verarbeitet.
Der Verein swiss silk, die Trachtenberatungskommission der BTV und die traditionelle Stoff- und Bandweberei Minnotex GmbH haben zusammen auf 2020 die erste Trachtenschürze aus Schweizer Seide entwickelt.
Zum Weiterlesen oder besuchen:
- Seidenproduktion auf dem Ballenberg
- Erste Trachtenschürze aus Schweizer Seide
- Aktuelle Sonderausstellung im Museum Langenthal zur Oberaargauer Tracht (bis 18. September 2022)
- Guggisberger Trachten und zauberhafte Trachten im Mini-Format im Vreneli-Museum, Guggisberg
- Als Fischbeinreisser ein Top-Job war